Die Frage, was Koerpervernunft sei, …

… kann ich nicht beantworten. Ich kann das, was ich damit bezeichne, nicht sensorieren. Mit ‚Koerpervernunft‘ kennzeichne ich eine Annahme, die ich im Hinblick auf das schlussfolgere, was ich empfinde. Sie ist genauso wenig nachweisbar, wie z. B. die Meridiane, auf die Akupunkteure einwirken, aber auch wie das, was in der Medizin frueherer Jahrhunderte als ’sympathische Symptome‘ zwischen gesunden und kranken Organen verstanden wurde. Empfindungen sind fuer mich stets koerperlicher bzw. physiologischer Natur. Rolf Reinhold spricht treffender aber auch nicht leichter nachvollziehbar von „Organlagen“. Beides sind Behauptungen. Nebenbei bemerkt, hat alles, was ich auf meinen Seiten hier bei wordpress aeuszere, den Charakter von ‚behaupten‘, ‚vermuten‘, ‚annehmen‘. Dies gilt auch dann, wenn ich dies nicht anmerke.

Ich nehme fuer mich die ’skeptische Klugheit‘ des Protagoras in Anspruch: Die Dinge sind fuer mich so, wie sie mir erscheinen und fuer jeden anderen so, wie sie ihm erscheinen. Dies so zu sehen, ergibt sich daraus, dass jeder individuell sensoriert. Daher ist diese Sicht klug und nuetzlich fuers ‚reden‘ und ‚handeln‘ miteinander. Menschliches Verhalten wird von Fachleuten und Laien oft noch in ‚objektivierende Kategorien‘ gefasst: ‚Das ist eigentlich nicht aussagekraeftig,‘ merken nachdenkliche Nervenaerzte dazu an, ‚weil Menschen individuell unterschiedlich wahrnehmen und empfinden.‘ Auch neurobiologische Forscher halten individuelles ’sensorieren‘ fuer die konstituierende Grundlage jeder menschlichen Sicht und jedes ‚handeln‘. Solche Auffassungen, die der meinen entsprechen, betrachte ich nicht als „Beweise“. Sie sind fuer mich „Hinweise“ auf Menschen, die aehnlich wie ich denken und mit denen ich meine Sichten leicht teilen kann. Es wuerde mich noch mehr freuen, wenn diese mir Rueckmeldungen geben wuerden. Aus ihren Rueckmeldungen koennte ich viel lernen. Letzteres gilt uebrigens auch fuer jeden, der mir nicht zustimmt.    

Ueber koerpervernuenftiges ‚handeln‘



Ueber andere statt von sich selber zu reden, ist eine weit verbreitete menschliche Sitte. Merkwuerdigerweise ist es mit einem Tabu belegt, weshalb das Reden ueber andere nicht zugegeben wird. Moeglicherweise eine Folge des mosaisch-lutherischen Gebotes: Du sollst kein falsch Zeugnis reden ueber deinen Nächsten. Dieses bei uns strafwuerdige Verhalten ist aber damit nicht gemeint. Ich meine hier etwas ganz Positives. Etwas, das Kinder tun, wenn ihnen etwas am anderen auffällt. Wenn z.B. Cyrill mir morgens auf dem Schulweg sagt: „Du hast einen neuen Hut auf.“ Oder Friem meint: „Du hast deine Haare geschnitten.“ Oder Tobie: „Dein Gesicht ist ganz rot!“ Das, was diese Grundschueler mir ins Gesicht hinein sagen, sagen sie auch anderen ins Gesicht hinein, bzw. ueber andere den anderen. Kinder haben meist noch nicht die erwachsene Bremse, dass es sich nicht gehoert, einem anderen etwas direkt ins Gesicht zu sagen. Eine Mutter, der die Feststellungen ihrer kleinen Tochter ueber andere in deren Gegenwart peinlich waren, schlug ihr vor, diese fuer zu Hause aufzusparen. Das Kind versprach es. Beide saßen im Bus einem Farbigen gegenueber, der nach afrikanischer Mode gekleidet war. Dem Kind wuchsen die Fragen fast aus dem Mund heraus. Als es nicht mehr an sich halten konnte, platzte es mit dem Finger auf den Mann deutend heraus: „Ueber den da sprechen wir aber zu Hause!“

Wir scheinen alle, einen kulturell verordneten Maulkorb zu tragen. Wir reden nicht, wenn wir reden moechten. Wir machen statt dessen Smalltalk, der nichts sagend ist. Wir schlucken runter, was uns auf der Zunge liegt und kriegen u. a. Magenbeschwerden. Manche haben sich das Reden, ueber das, was sie bewegt, derart abgewoehnt, dass sie nicht mehr wissen, was sie sagen sollen. Andere tyrannisieren ihre Mitmenschen mit endlosen Lautfolgen.

Es tut uns nicht gut zu verschweigen, worueber wir reden moechten, behaupte ich. Unser Koerper reagiert darauf, denn seiner Vernunft entspricht es, das spontan in ‚handeln‘ umzusetzen, was er sensoriert. Die uns alle anerzogene Haltung der kulturellen Vernunft verhindert dies. Sie stoert diesen natuerlichen Ablauf. Dies duerfte Stoerungen unseres Organismus hervorrufen koennen. Es kann einem ‚die Spucke wegbleiben‘, die ‚Sprache verschlagen‘, es koennen die ‚Worte fehlen‘ …etc. Junge Kinder koennen mit temporärem Verstummen antworten, wenn das, was sie gesagt haben, konsequent ignoriert wird.

Die kulturelle Vorschrift „Du sollst nicht sagen, was du siehst, hoerst, riechst …etc.“ verhindert m.E. dass menschliches Empfinden Menschen mit einander in Verbindung bringt. Wir legen uns hier moeglicherweise ein unnoetiges Tabu voller Nebenwirkungen auf, das koerperunvernuenftig wirken duerfte. Keinesfalls ist damit gemeint, mit der Tuer ins Haus zu fallen. Wer moechte schon, dass andere bei ihm mit der Tuer ins Haus fallen. Wenn man die eigene Empfindsamkeit mit einbezieht und dem anderen entsprechend zugesteht, duerfte man ’sympathizing‘ angemessene Wege finden koennen. Derart koerpervernuenftig vorbereitet, koennte das Handeln miteinander besser funktionieren.

Der Koerpervernunft folgen …



... heißt sich selber finden. Als ‚vernuenftig‘ wird das bezeichnet, was ich empfinde und entsprechend handle ich. Mit ‚empfinden’ ist koerperliches ‚empfinden’ gemeint. Es entsteht aus dem, was ICH erlebt, bzw. was mein Koerper erlebt. ICH, ‚ich selber’ oder ‚Koerper‘ sind Namen fuer eine Person.

Dieser Koerper, diese Person, die andere mit Monika oder Frau Wirthgen ansprechen, unterscheidet sich von anderen deutlich durch Aussehen, Gestalt, Handeln und Sprechen. Hier koennten eine Vielzahl von einzelnen Merkmalen genannt werden, die diese Unterschiede naeher bestimmen. Doch diese bleiben fuer den augenblicklichen Zusammenhang außer Betracht.

Mein augenblickliches Thema ist: Andere philosophierende Menschen schrieben und schreiben meiner Person Eigenschaften zu. Sie reden davon, dass ein Mensch Geist, Vernunft, Verstand, Bewusstsein, Unbewusstes, … etc. habe. Dies sind metaphysisch und kulturell selbstverstaendlich erworbene Vorstellungen, die jedem viel bedeuten und mit jedem verwachsen sind, der sie verwendet. Ich habe mir jahrzehntelang davon Vorstellungen gemacht und habe bei mir nach Hinweisen auf Faehigkeiten Ausschau gehalten, die diesen Vorstellungen zugeordnet werden koennten. Immer wenn ich glaubte, derartige Faehigkeiten gefunden zu haben, stiesz ich ins Leere. Die Frage „Wer bin ich?“ wurde zu einer Plage und mein Handeln bueszte Effizienz ein.

Auf der Suche nach Kriterien verschwand meine Person handelnd in fremden Maszstaeben, die mir in irgendeiner Weise passend zu sein schienen. Daraus entstand eine Art eigene Welt aus Fremdem zusammengepuzzelt und modifiziert, in der ich mich aber nie so richtig zu Hause fuehlte. An allen Ecken und Enden waren Ungereimtheiten, die ich in heteronomer Begrenztheit uebersah. Irgendwann stand ich dann doch mit fast leeren Haenden da. Ich resuemierte: So geht es nicht. Wie aber dann? Die Idee Rolf Reinholds, auf die mir zugeordneten Eigenschaften Geist, Vernunft, Verstand, Bewusstsein, Unbewusstes, … etc. zu verzichten, gefiel mir gar nicht. Doch ich hatte zu viele Probleme und so gab ich unter Schmerzen vertraute Selbstverstaendlichkeiten nach und nach auf. Mein Ideengeber hat mich stattdessen auf ‚empfinden‘ meiner eigener Koerperimpulse verwiesen.

Die Idee KOERPERVERNUNFT ist ein philosophisches Angebot zur authentischen Neukonzeption des Eigenen, die ohne Uebernahme von Fremdem auskommt. Das was Rolf Reinhold mir jeweils nahe legte, war sein Eigenes, um herauszufinden, ob mein Handeln mit den von ihm daraus gewonnenen Annahmen besser funktionierte. Ich formuliere hier mein Eigenes, um wiederum andere zu ihrem Eigenen anzuregen. Das duerfte ‚philosophieren’ in bestem Sinne sein.

Unvernunft



Ich selber habe den Eindruck, dass ich unkapierbar fuer andere schreibe. Ich gebe zu: Es macht mir Freude, Worte zu finden und sie anders zu gebrauchen, damit ich das ausdruecken kann, was sonst verborgen bliebe. Aber ich moechte auch, dass andere kapieren koennen, worueber ich schreibe. Rolf Reinhold und ich haben vor einigen Tagen darueber geredet, dass es wohl sinnvoller sein koennte, das bisher philosophisch Ungesagte genau zu beschreiben – und zwar mit einfachen Worten.

‚ICH selber’ waere dann nichts weiter als ein anderes Namensschild fuer meine Person. Diese Person, also „ich“ wie ueblicherweise gesagt wird, hat lediglich darauf verzichtet zu behaupten, dass sie aus Koerper und Geist bestehe. Sie sagt: Ich weiß nicht, was Geist sein koennte. Fragt sie andere, die es wissen koennten, weil sie von Geist reden, bekommt sie viele Antworten, die sie nicht aufklaeren. Redet sie daher von Vernunft, meint sie Koerpervernunft. Fuer Metaphysiker wiederum ist das Unvernunft.

Da ich eine hochsensitive Person bin, bringen mich Antworten, die mich nicht aufklaeren, bloß durcheinander. Hochsensitive Menschen neigen naemlich dazu den Sachverhalt, dass sie etwas nicht kapieren, als von sich selber hervorgerufen aufzufassen. Auf diese Weise kann man ganz schnell ein klinischer Fall werden. Ich fuer mein Teil empfinde mich als sehr gesund, seit ich angefangen habe, das beiseite zu lassen, was ich weder kapiere, noch mir andere erklaeren koennen.

Das Verhalten einer auf Koerpervernunft setzenden Philosophin aehnelt dem einer meiner Katzen. Noch jung und unerfahren saß sie vor dem Fernsehgeraet, in dem gerade ein Eishockeyspiel uebertragen wurde. Fasziniert verfolgte sie den kleinen schwarzen Puck, der hin und her geschossen wurde. Ploetzlich verschwand der Puck aus dem Sichtfeld der Kamera. Neugierig guckte sie neben dem Fernsehgeraet ins Regal, fasste mit der Pfote nach: kein Puck. Sie wendete sich ab und zog von dannen in den Garten. Nie wieder hat sie sich durch die Bilder des Fernsehens an der Nase rumfuehren lassen. Manchmal sah sie mich an – nachdenklich, wie mir schien -, waehrend ich auf die Mattscheibe guckte.

So aehnlich wie ihr mit dem Puck ging es mir mit der Metaphysik: Fasziniert verfolgte ich die Reden anderer, ließ mich an der Nase rumfuehren, fand aber nichts. Bis ich schließlich beschloss: Da gibt es nichts fuer mich zu finden. Seither kann ich mich ganz der Koerpervernunft widmen.

ICH



Umfassende sinnliche d.h. sensorische Prozesse und Aktivitaeten, sowie deren neurophysiologische Ergebnisse (autoaktive neuronale Netzwerke) halten physistisch gepraegte Philosophen – wie ich – fuer die Basis von ‘denken’, ‘schlussfolgern’, ‘vorstellen’, ‘handeln‘ … usw. Die Koerperorientierung dieses ‚philosophieren‘ macht den alles entscheidenden Unterschied zu jeder anderen Philosophie (Metaphysik) aus. Sie gibt auszerdem philosophischen Bezeichnungen wie z.B. ‚Vernunft‘ eine voellig andere Bedeutung, wie ich im vorigen Artikel erlaeutert habe.

Das ‚Ich‘ im Mainstream der Philosophie

Die Bezeichnung „ich“ veraendert unter physistisch gepraegter Sichtweise ihre Bedeutung gleichfalls. Um die Fuelle von Bedeutungen von „Ich“ wenigstens innerhalb des Mainstreams der Philosophie einigermaszen zutreffend erlaeutern zu koennen, muesste ich eigentlich ein mehrbaendiges Werk verfassen. Ich beschraenke mich aber jetzt darauf, einige deutliche Hinweise auf Unterschiede zu geben, die sich mir aus Jahrzehnten des Studiums nahe legten und denen jeder nachspueren kann, um herauszufinden, was Philosophen meinen koennten, wenn sie nicht nur „ich“ benutzen, sondern das „Ich“ erklaeren.

Innerhalb des philosophischen Mainstreams wird das „Ich“ als ein immaterieller, geistiger Faktor – etwas unsichtbares macht etwas Konkretes -, das denkt und ‚handeln‘ lenkt (u.a. bei Descartes und Locke). Leibniz nennt es eine Monade (m.E. eine Art grenzwertiges Abstraktum von etwas) Bei Kant ist das „Ich“ – wie bei Hegel, Schelling und Fichte – etwas ‚idealreales‘ (fand ich in Rudolf Eisler’s Woerterbuch), das es gibt, das man irgendwie kennt, aber nicht erkennt. Alle zuletzt genannten Philosophen beschreiben unterschiedliche „Iche“, behaupten aber dennoch die Identitaet des „Ich“. Diesen Paradoxien moechte ich hier nicht weiter nachgehen. Wer mehr wissen moechte, dem empfehle ich das Studium der entsprechenden Quellen, bzw. wenigstens einen Blick in ein philosophisches Woerterbuch. Ueber kritische Stellungnahmen freue ich mich.

Das ‚Ich‘ als etwas Körperliches – eine marginale Sichtweise

Ein Jedermann-Philosoph duerfte auf die Frage: „Wer bin ich?“ bzw. „Wer bist Du?“ antworten koennen: Monika Wirthgen, 62 Jahre alt, ueberwiegend weiszes Haupthaar, 1,59 m grosz, Lehrerin, Schwaebin … Dass dies auch Philosophenprofis so sehen koennen, beweist u.a. Spinoza: Er identifiziert das „Ich“ mit ‚denken‘ und betrachtet ‚denken‘ als koerperliches Phaenomen. Auch Hume geht davon aus, dass „Ich“ sensorierbar ist: Das „Ich“ sei ein „Buendel koerperlicher Empfindungen“, meint er.

ICH = Einheit Körper

Die beiden letzteren erlauben mir eine professionelle Anknuepfung an meine Sichtweise und verleihen dieser so Glaubwuerdigkeit – etwas was heute immer noch gefragt ist. „Ich“ ist aus meiner Sicht – wie ‚Koerpervernunft‘ – ein Sammelbegriff (in den Augen von Metaphysikern ein nachvollziehbarer Fehlgriff). Er bezeichnet die Einheit aller koerperlichen Vorgaenge und ist gleichzeitig der Name dieser Einheit. Diese Beschreibung stammt von Rolf Reinhold. Ich konnte sie mir nur deshalb zu Eigen machen, weil ich herausfinden wollte, was bei mir handelnd besser funktioniert, wenn ich physistisch denke und handle. Hier noch einmal vollstaendig: „ICH ist die Einheit des Koerpers, samt aller koerperlichen Prozesse und neuronalen Aktivitaeten, und der Name der Einheit.“

Diese Einheit ICH lebt von ’sensorieren‘. ICH koennte auch ‚empfinden‘ sagen. Doch weil damit in unserer philosophischen Kultur automatisch auch „idealreales“ mit assoziiert wird, bleibe ICH bei ’sensorieren‘, um deutlich zu machen, dass ICH ausschlieszlich Koerperliches bezeichnet.

Sei vernuenftig!



Die Texte dieses Blogs moechten das Vergnuegen an der Vernunft entdecken helfen. Jedem Vernuenftigen duerfte dies aeusserst unvernuenftig vorkommen. Ueblicherweise ist Vergnuegen mit Unvernunft und Vernunft mit Pflicht gepaart. Das liegt aber nicht an der Sache,  sondern an den Menschen, insbesondere Philosophen und deren Auffassungen von Vernunft.

‚Vernunft‘ irritiert

Ich thematisiere hier ‚Koerpervernunft‘ im Unterschied zu ‚Vernunft‘. Die Idee dazu aeusserte ich zum ersten Mal vor Jahren in einem Gespraech mit Rolf Reinhold: „Wenn es ueberhaupt so etwas wie Vernunft gibt, dann eine Vernunft des Koerpers.‘ Rolf Reinhold bemerkte: ‚Weisst Du, was Du gerade gesagt hast?‘ ‚Ich glaube schon.‘ erwiderte ich. Ich erinnerte mich an ein altes Vorhaben von mir, einmal die ‚Geschichte der Vernunft‘ zu schreiben. Sie sollte mit Augustin Thagaste beginnen – auch wenn bei diesem Vernunft noch ‚ratio‘ genannt wurde – und bis in die Gegenwart reichen. ‚Vernunft‘ hatte mich schon als Kind beschaeftigt, wenn meine Mutter meinte: Sei doch vernuenftig! Dieser Appell hat mich stets irritiert und so ist es mir mit der Vernunft stets ergangen: Sie irritierte mich. Eine nachdenkliche Verwandte meinte auf meine Frage nach der Vernunft: ‚Es gibt Begriffe, die lassen sich nicht hinterfragen.‘ An solchen Antworten scheinen sich meine Irritationen wie die Fliegen zu vermehren.

‚Vernunft‘ (‚ratio‘) – eine römische Erfindung?

Inzwischen behaupte ich feststellen zu koennen, dass ich so etwas wie ‚Vernunft‘ nicht zu besitzen scheine. Viele wohlmeinende Menschen versuchen mir dies immer wieder auszureden, was mich – wie koennte es anders sein – wiederum irritiert. Wieso ist es anderen so wichtig, dass ich Vernunft habe? Ich aeussere dann gelegentlich die provozierende Idee, dass aus meiner Sicht auch die alten Griechen nichts von Vernunft wussten, auch wenn Woerterbuecher das Gegenteil schreiben. Ich gehe im Moment davon aus, dass die lateinische Variante der Vernunft auf die roemischen Beamten zurueckgeht, die Einnahmen und Ausgaben auszurechnen hatten, um ihren Senatoren und Caesaren Rede und Antwort in den Staatsfinanzen geben zu koennen. Eine Methode, die schließlich im ‚imperium romanum‘ von zentraler Bedeutung für die Staats- und Goettertreue jedes Buergers wurde. Eine altgriechische Variante der Vernunft konnte ich bisher noch nicht entdecken.

‚Koerpervernunft‘ geht vom Konkreten aus

Etwas Konkretes – aehnlich wie die roemischen Beamten – habe ich vor Augen, wenn ich von ‚Koerpervernunft‘ spreche. Konkretes vertreibt meine Irritationen. Ich gehe von meinen Empfindungen aus, orientiere mich daran im Zusammenhang mit dem, was mein ‚erinnern‘ mir an Vorstellungen zugaenglich macht. Ich beziehe dabei auch das mit ein, was andere ueber die menschliche Physis herausgefunden und veroeffentlicht haben. Das, was andere mir konkret sagen koennen, erlebe ich als anregend.

‚Koerpervernunft‘ in der ‚Koerperphilosophie‘ verortet

Den letzten Anstoss zu diesem neuen Blog fand ich heute bei der Lektuere von Ernst Reinholds: Theorie des menschlichen Erkenntnisvermoegen. Gotha und Erfurt (Henningsche Buchhandlung) 1832 Google-Buch

Eine ‚koerperphilosophische Erkenntnistheorie‘ fiel mir als Bezeichnung der Idee in  den Ausfuehrungen Ernst Reinholds ein. Koerperphilosophische Ansaetze habe ich inzwischen auch bei anderen Philosophen gefunden. Ich moechte sie in diesem Blog zusammen mit meinen eigenen Gedanken zur ‚Koerpervernunft‘ veroeffentlichen. Auch Einiges zu herkoemmlichen Auffassungen von ‚Vernunft‘ moechte ich erläutern.

Meine Äußerungen zu diesem Thema sind Ergebnisse vieler Gespräche und Veränderungen meiner Sichten aus dem intensiven Diskurs mit Rolf Reinhold .  In vielerlei Hinsicht profitiere ich dabei von seiner gründlichen Erforschung seines philosophischen Ansatzes ‚AxioTentaO‘ und vor allem seiner unermüdlichen und kontinuierlichen Arbeit an einer angemessenen philosophischen Sprache.  So geht beispielsweise die Kleinschreibung von nominalisierten Verben auf sein Resuemee zurück, dass DIEPhilosophie – mit fatalen Folgen – zur Substantivierung von Verben neige. Im Rahmen Physistik werden Taetigkeiten als Taetigkeiten aufgefasst. Sie verweisen nicht notwendigerweise auf bestimmte Faehigkeiten bzw. Vermoegen des Menschen, wie dies durch Substantivierungen suggeriert wird. Die negativen Folgen derartiger Kurzschluesse bestehen u.a. darin, dass Philosophen dann irrtuemlich meinen, behaupten zu können, was etwas sei – was u.a. für ‚Vernunft‘ gelten duerfte. Physistik moechte Probleme loesen und nicht mehren. Phystik moechte ein Rahmen sein, innerhalb dessen jedem Einzelnen die Taetigkeit ‚philosophieren‘ für die Taetigkeit ‚handeln‘ dienen kann.